Wie sieht die Pflege in anderen Ländern aus?
Sommerzeit ist Urlaubszeit! Zeit, um andere Länder zu bereisen und neue Eindrücke zu sammeln. Zeit, einmal über den Tellerrand zu schauen, um sich die Pflegesituation in anderen Ländern anzuschauen.
Die Münch-Studie „Pflege in anderen Ländern – vom Ausland lernen“ untersuchte die Pflegesituation in Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und Kanada und verglich sie mit Deutschland. Alle untersuchten Länder stehen vor zwei wesentlichen Herausforderungen:
- Fachkräftemangel und
- die Sicherung der pflegerischen Versorgung
Gleiche Probleme – gleiche Lösungsansätze?
Das kann man pauschal nicht beantworte. Alle Länder sind sehr bemüht und wollen die Attraktivität des Pflegeberufes steigern. Doch wie dieser Weg ausgestaltet wird, ist sehr unterschiedlich. In der Studie heißt es:
„Anders als in Deutschland finden sich als Lösungsansätze mehr Investitionen in die hochschulische Aus- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen, Maßnahmen zur Stärkung der Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Pflege sowie die Erweiterung pflegerischer Aufgaben- und Verantwortungsbereiche.“
Im internationalen Vergleich hinsichtlich Aus- und Weiterbildung, Aufgabenverteilung und Innovationsförderung liegt Deutschland deutlich hinter Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und Kanada. Wir haben die Kernpunkte der Studie nachfolgend für Sie zusammengefasst:
1. Aus- und Weiterbildung
- Deutschland: Die Aus- und Weiterbildung in der Pflege unterliegt meist nicht dem Schulrecht der Bundesländer, sondern besitzt einen Sonderstatus. Sie findet nicht an allgemein- oder berufsbildenden Schulen statt und ist damit finanziell, materiell und qualitativ benachteiligt.
- Untersuchte Länder: Die Pflegeausbildung ist Teil des klassischen Bildungssystems und ist in geregelten Bildungsstrukturen verortet. Eine gute Qualität der Ausbildung soll dadurch gewährleistet werden
2. Patientenversorgung:
- Deutschland: Das Pflegepersonal ist auf Anweisungen des Arztes angewiesen. Es besteht nur ein geringer eigener Handlungsspielraum und schränkt somit Ideen, Mitgestaltung und Verantwortungsbewusstsein stark ein.
- Untersuchte Länder: Dem Pflegepersonal in den untersuchten Ländern wird mehr Verantwortung in der Patientenversorgung zugeschrieben. Dies macht den Beruf attraktiver, erhöht die eigene Motivation und bietet gute berufliche Entwicklungschancen. Die untersuchten Länder haben durch eine gesetzlich legitimierte Neuverteilung der Aufgaben einen Weg gefunden, partnerschaftlich, team- und lösungsorientiert zu arbeiten, was den Stellenwert des Pflegepersonals deutlich steigert.
3. Akademisierung:
- Deutschland: 1-2 % schließen nach Pflegeausbildung ein Hochschulstudium ab.
- Untersuchte Länder: 45 % (Niederlande) und 100 % in Schweden und Großbritannien des Pflegepersonals weisen eine akademische Ausbildung vor. Die Akademisierung soll zu mehr Expertise, mehr Verantwortung und Weitblick führen, so dass diese Pflegeexperten die Branche mit Innovationen, Trends und neuen Ideen bereichern können.
Pflegesituation in Skandinvien und den Niederlanden
Geht die erste Studie verstärkt auf die Aus- und Weiterbildung und auf das Pflegefachpersonal ein, möchten wir Ihnen noch einen kurzen Umriss der allgemeinen Pflegesituation in zwei anderen Ländern geben.
- Skandinavien: In skandinavischen Ländern lebt und besteht die Pflege unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die Pflegebedürftigen sollen so lange wie möglich selbstbestimmt – am besten in den eigenen vier Wänden – ihr Leben leben. Da die Pflege überwiegend aus Steuergeldern finanziert wird und als kommunale Aufgabe verankert ist, gibt es in den skandinavischen Ländern keinen Pflegenotstand. Es ist ausreichend Zeit und Personal vorhanden, um eine gute Pflege sicherzustellen. Die Pflegekräfte sind bei der Kommune angestellt, kümmern sich nur um eine geringe Anzahl an Pflegebedürftigen und sind lange in ihrem Beruf tätig. Für die Pflege wird in den skandinavischen Ländern etwa drei Mal so viel ausgegeben wie in Deutschland.
- Niederlande: Mit dem „Gesetz zur gesellschaftlichen Unterstützung“, welches 2015 verabschiedet wurde, ist die Pflege zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe geworden. Die häusliche Pflege wird von der Kommune unterstützt, der Pflegebedürftige hat einen geringen Eigenanteil zu zahlen. Durch ein breites Netzwerk aus ambulanter Pflege, Angehöriger, Nachbarschaftsinitiativen, Freiwilliger und der Kirche können auch in diesem Land die Pflegebedürftigen so lange es geht und so gut es geht selbstbestimmt zu Hause betreut werden.
Wir als Einzelner können die Situation vor unserer Haustür nicht grundlegend ändern. Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass Deutschland mutiger wird, neue Wege zu gehen und gute Ideen von den Nachbarländern – in welcher Form auch immer – adaptiert.